Anja Utler, *1973 in Schwandorf, lebt nach Jahren in Wien, Regensburg und Prag derzeit in Leipzig. Ihre Poesie gibt es geschrieben, gesprochen und performt, sie bearbeitet etwa Fragen der Ökologie oder der Wissensweitergabe zwischen den Generationen. Anja Utler verfasst außerdem Essays, übersetzt (u.a. Anne Carson und Mila Haugová) und hat zur Lyriktheorie publiziert. Im September 2020 erschien ihr poetischer Monolog «kommen sehen. Lobgesang» in der Wiener Edition Korrespondenzen. Eine reflektierende Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Poesie und Ökologie bietet u.a. der Essay «Hörerfragen. Zur Future, der Poesie, und dem, was ist» (in: Nach der Natur. Neue Rundschau. 2020:1). Anja Utler Gedichte wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt; die Autorin wurde für ihre Arbeit vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Ernst-Meister-Preis für Lyrik 2021.
Man konnte die Sonne ich konnte die Sonne ja
kommen sehen sagt sie als sie alt ist die Tochter hat
wieder etwas zu tun keine weiß was das ist
sie rennt hin und her in dem Sandloch in das
kein Gras sich mehr setzen wird dort spielen die Mädchen
keine weiß was und sie sagt
Es hat gefaucht schon im Jahr vorher Da
bleibt die Tochter kurz stehen Und dann waren die drei
Jahre Sommer
(…)
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•
Wie sie damals die Nachbarskinder gehört hat zur
Mitte des dritten Jahrs während sie eigentlich
deren Mutter zuhören will die bei ihr in der Tür
sagt Wir werden gehen Und sie fragt nicht Wohin Weil sie
beide wissen dass gehen längst nichts mehr bei sich hat kein
Wann Wie kein Wohin in der blanken Geschmeidigkeit
skelettierter Bewegung Und sie sagt Ja sagt Gut
Während sie horcht wie von den Kindern wieder ein Kratzen
kommt Sie stochern im Flussbett stur und die Rufe
Schon da wo es hakt dass sie hängen bleibt Das stinkt aber
Das ist das richtige Schwert heute Und wenn das was da
glitzert bloß Sand ist Glitzert der Sand am Feld – Nein – Das
ist die Tarnkappe schau ist undicht blitzt schon das Wasser
durch das ist die Drachentarnkappe die Wasser frisst wir
müssen sie packen bloß ihr den Kopf abhacken Und
wenn er nachwächst uns auch frisst Musst ja nicht Sie
mussten beide mit In ihren Rücken das Haus gut durch-
erhitzt abgelegt ein Exoskelett voll mit leeren
Betten Tarnkappenangeln den Fenstern durch die rollten
Jahre das große Wann Wie Wohin hindurch sind erst
mit dem Haus zusammen geschrumpft Denkt sie Und jetzt
sind sie kaum und es ist auch kein richtiges Haus mehr
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Womit es nicht das einzige ist
•
Während sie hier sitzt denkt sich das herformuliert
(…)
•
Mit dieser Sprache die dünner macht dünn wie die
ledrige Tochter die ihre Schritte zieht durch den
Garten feste Sehnen von diesem Gewächs an seinem
Ort unterm nur halbhohen Baum zu jenem das nur
am offenen Wegesrand kann eine Naht wie das Licht
von einer Sonne die tiefer geht und regelmäßig
auch aus dem Weg wo sie mit Schritten ihm Sehnen webt
Sehnen webt damit ihr der Garten gelenkig gerät
abfedert von wo sie gelegentlich ihr einen Blick
zuwirft eng wie ein trockenes Blutfädchen durch einen
alten Schnitt
•
(…)
Doch über alles spannt Unser Erbgut sich In Seiner
gezielten Mischung Garant Flüssigster Überbrückung
Flüssigste Überbrückung Das Wird Dein Erbgut sein
(…)
•
Deines, Tochter wie sie da steht viel zu jung ist für
irgend eine Art Schuld daran kein Grund nur Effekt auf
der harten Erde schmal und sehr klar eine Hunde-
trägerin in der sich was wittert anspannt wenn sie es
sieht wie auf diesem grundkahlen Spiegel der gar nicht der
ihre sein sollte sonst nur noch die Sonne liegt bereit
sich hinein zu hecheln in die Erbmasse aus dem Raum
gefallener Wörter sie nochmal von vorn durch zu wüh-
len Weshalb sie der Tochter die Hand hinstreckt Nun
nicht in echt aber sie schon einlädt
•
Auf die Lieblingsbank Auf der jede sprechende Welt dem
Rest dieser Welt die Kehle hinstreckt strecken muss Wenn der
dran entlangstreicht instinktsicher mit dem Wort Du An dem
die Frage Ist das nicht gelogen? gnadenblank abperlt
Sie weiß Sobald sie nur sagt Du äh – muss diese Tochter
den Kopf herdrehen Extra langsam dass sie es sieht sie
hat Augen wie einen Schildkrötenpanzer glatt ganz glatt
hat sie den für sie wie das sichere Wissen Sie wird
trotzdem von diesem Blick ihr nicht wegrutschen können Er
ist ein rutschiger Panzer Sie aber klebt an ihm Dreh
aus dem die gedrängte Ruhe des Siegers vorblitzt Sie
soll ihn haben Weshalb sie sagt Du äh – anschließend
abwinkt
•
Während sie selbst eine Werkbank bleibt für dieses Wort du
das hier wie ein Schweißbrenner durchirrt sie anschwirrt du du
hast du nicht doch du bist schwirrst an dein Ex-Haus aus-
wändig inwändig zischst es an Damit bist auch Du
an Dein Ende gelangt (…)
•
(…) und erinnere dich Das sagt alles hier Du zu Dir
•
Wie in einem großen Kuss und in dessen Abwesen-
heit Adressiert waren Frauen im Versuch Die ver-
bliebenen Liebhaber küssen wie früher Eltern ta-
gelang auf der Suche nach den sumpfigen Küssen der
Kinder sie alle alle kriegten wir nur dieses aus-
getrocknete Wehr auf die Lippen rötlich-rostige
Schneide die jetzt aus dem Wasser trat wie aus einem Fisch
links eine Wasserflosse sie rührt sich nicht rechts
ein paar Wasserschuppen mehr ist da nicht sie die
zwei Kinder der Nachbarin laufen drauf hin und her Lass
uns schauen was drüben ist Und sie steht in der Mitte
als müsse dort jedenfalls eine Ausschau halten stramm
flussaufwärts mit gutem Willen und steifem Genick
etwaigem Zukunftsgerinnsel entgegen während die
Knöchel schnuppern am trockenen Stein sich leise
sträubten
•
Wie jetzt im Hals alle Knorpel sie vorwärts schiebt sagen
lässt Weißt du das war ganz ohne Ansehen der Person
völlig egal welche Seins- oder Todesform wir
hatten alle diesen verdorrten Fluss an uns Tattoo
das sich schlängelt nicht wegreiben ließ und je stärker man
reibt desto fester riecht
Utdrag fra
Anja Utler. se komme. lovsang.
(Edition Korrespondenzen, Wien 2020.)
Man kunne se sola jeg kunne jo se sola
komme sier hun da hun er gammel dattera har
igjen noe å gjøre ingen vet hva det er
hun løper fram og tilbake i sandhullet hvor det
ikke kommer til å vokse mer gress der leker jentene
ingen vet hva og hun sier
Det hveste allerede året før Da
blir dattera stående litt Og så kom tre år
med sommer
(…)
•
•
Slik hun den gang hørte nabobarna midt i det
tredje året mens hun egentlig
vil høre på mora deres som står i døra og
sier Vi går nå Og hun spør ikke Hvor Fordi
de begge vet at gå ikke lenger har noe for seg ingen
Når Hvordan ingen Hvor i den blanke smidigheten
til skjeletterte bevegelser Og hun sier Ja sier Bra
Mens hun igjen hører at det kommer en krafsing fra
barna De roter rundt i elveleiet sta og ropene
Der hun hekter seg fast og blir hengende Men det stinker
Det er det riktige sverdslaget i dag Og når det som der
glitrer bare er sand Glitrer sanden på jordet – Nei – Det
er tryllehatten se den er utett vannet skinner allerede
gjennom det er draketryllehatten som eter vann vi
må få tak i den få kappet hodet av den Og
når den vokser ut igjen eter den oss også Må jo ikke De
måtte bli med begge to Huset i ryggen deres godt opp-
varmet avsides et eksoskjelett fullt av tomme
senger tryllehattfiske gjennom vinduene rullet
årene gjennom det store Når Hvordan Hvor er først
skrumpet sammen med huset Tenker hun Og nå
finnes de knapt og noe skikkelig hus er det heller ikke lenger
•
Men det er ikke det eneste
•
Mens hun sitter her tenker formulerer for seg selv
(…)
•
Med dette språket som tynner ut tynt som den
tykkhudete dattera som sleper skrittene etter seg gjennom
hagen faste sener fra denne veksten på dette stedet der
den vokser under det halvhøye treet til veksten som bare
finnes i den åpne veikanten en søm som lyset
fra ei sol som går dypere og regelmessig
også fra veien hvor den med skritt vever sener
vever sener slik at hagen blir hendigere for henne
fjærer derfra kaster hun av og til et blikk
på henne smalt som en tørr liten blodtråd gjennom et
gammelt snitt
•
(…)
Men over alt spenner arvegodset vårt seg I sin
målrettede blanding garantist for den flytende overgangen
den mest flytende overgangen Det Skal bli arvegodset ditt
(…)
•
Ditt, datter slik hun står der er altfor ung til
å ha noen som helst skyld i det ingen grunn bare effekt på
den harde jorda smal og svært klar ei hunde-
bærer som det værer i anspenner seg når hun ser
det som på dette grunngolde speilet som slett ikke
skulle være hennes hvor ellers bare sola ligger klar
til å pese seg inn i arvemassen fra rommet
av falne ord å rote opp i den forfra i-
gjen Derfor strekker hun hånda ut mot dattera Nå
ikke virkelig men likevel inviterer henne
•
Til yndlingsbenken Hvor enhver talende verden
strekker hals mot resten av verden må strekke hals Når den
stryker langs instinktsikker med ordet Du Som
spørsmålet Er det ikke løgn? nådeblankt perler av på
Hun vet Så snart hun bare sier Du eh – må dattera
snu hodet hitover ens ærend langsomt så hun ser det hun
har øyne som et skilpaddeskjold glatt helt glatt
har hun det for henne som en sikker viten Hun vil
likevel ikke kunne vri seg unna dette blikket Det
er et slimete skjold Men hun kleber til skjoldet Dreining
derfra skinner den konsentrerte seierherreroen fram Hun
skal ha den Derfor sier hun Du eh – deretter
avvink
•
Mens hun selv forblir en arbeidsbenk for dette ordet du
som virrer lik en sveiseflamme her svirrer mot henne du du
har du ikke jo du er svirrer i ditt eks-hus ut-
vendig innvendig visler mot det Slik er også Du
ved veis ende (…)
•
(…) og husk Det sier alt her Du til Deg
•
Som i et stort kyss og adressert i dets fra-
vær var kvinner forsøksvis De gjen-
blitte forelskede kysser som før Foreldre da-
gevis på leting etter de sumpaktige kyssene til
barna alle sammen alle fikk vi bare dette ut-
tørkede vernet på leppene rødlig-rusten
egg som nå kom opp av vannet som fra en fisk
til venstre en vannfinne som ikke rører seg til høyre
et par vannskjell mer er ikke der hun de
to barna til naboen løper omkring La
oss se hva som er der borte Og hun står i midten
som om det også der må holdes utkikk stram
oppover elven med god vilje og stiv nakke
eventuelt framtidsbekkesig motstrøms mens
knokene snuser på den tørre steinen stritter forsiktig
imot
•
Som nå i halsen all brusk hun skyver framover lar det
si Vet du det var helt uten persons anseelse
helt likegyldig hvilken værens- eller dødsform vi
alle hadde denne uttørkede elva på oss Tattoo
som slanger seg ikke lot seg gni vekk og jo sterkere man
gnir lukter desto fastere
Gjendiktet av Arild Vange
Arild Vange (f. 1955) er forfatter og oversetter/gjendikter. Han debuterte i 1990 med en roman og har senere utgitt 7 diktbøker og to tekst/billedbøker med billedkunstneren Per Formo. I 2019 mottok han NTNUs litteraturpris for den sjangeroverskridende prosaboken Livet i luftene. Vange har dessuten gjendiktet og oversatt en rekke tyskspråklige forfattere til norsk, derunder Franz Kafka, Yoko Tawada, Georg Trakl, Anja Utler og Peter Waterhouse. Siste utgivelse: Crossworks (BeijingTrondheim 2022), et samarbeid med den tyske fotografen Klaus Fröhlich.
Foto: Mirko Lux
Published with funding from the Fritt Ord Foundation and Bergesenstiftelsen.

